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Die archäologische Weltverschwörung

August 7, 2012

Meist sind es Titel wie „Die Cheops Lüge“, „Verbotene Archäologie“, „Das Geheime Wissen der Archäologie“ oder „Kosmologische Archäologie“ die einem einen Einblick in neuste archäologische Erkenntnisse versprechen. Die wohl bekanntesten Vertreter einer solchen „archäologischen“ Literatur sind im deutschsprachigen Raum der Schweizer Erich von Däniken und der Deutsche Jan Udo Holy, besser bekannt unter dem Namen Jan van Helsing. Einer der wichtigsten Verlage für diese Literatur ist der Deutsche Kopp Verlag.

Jedoch nicht nur in Büchern wird immer wieder die „verbotene“ Archäologie thematisiert, auch in dokumentarischen Filmen und in Serien wird dieses Bild der Archäologie verbreitet. Der wohl neueste und medial am besten aufbereitete Neuzugang in dieser Gruppe bildet die Serie „Ancient Aliens“ die vom amerikanischen History Channel produziert wird und die seit 2010 auch in deutscher Übersetzung auf dem deutschen Ableger des Kanals ausgestrahlt wird. Wie im Titel der Serie angedeutet wird hier von „Experten“ belegt, dass die menschliche Entwicklung von Außerirdischen beeinflusst, wenn nicht sogar injiziert wurde.

Dabei stützen sie sich hauptsächlich auf eine Neuinterpretation antiker Legenden und archäologischer Fundstücke, die in ihr Modell einer Außerirdischen Beeinflussung passen. Eine weitere Argumentationslinie ist die oberflächige Ähnlichkeit vieler Phänomene. Pyramiden in Ägypten und in Mexiko, veränderte Schädelformen in Südamerika und bei europäischen Völkern, heilige Orte die auf energetisch aufgeladenen Linien liegen oder Erfindungen die mehrmals in der Menschheit gemacht wurden. Das viele der oft angeführten Monumente nachweislich in weit auseinanderliegenden Zeiten erbaut wurden, sowie eine unterschiedliche Funktion besaßen, da die Pyramiden in Ägypten Grabkammern waren während die mexikanische „Pyramiden“ hohe Plattformen für die darauf befindlichen Tempel sind, bleibt dabei oft unerwähnt. Auch beschäftigt sie die Frage nicht, ob Menschen Erfindungen mehrmals und unabhängig voneinander tätigen können. Sie gehen davon aus, dass wenn Erfindungen über dem gesamten Globus auftauchen es eine extraterrestrische Ursache haben muss. Diese Pseudoarchäologen bleiben jedoch eine Erklärung schuldig warum viele Erfindungen in einigen Kulturen nie getätigt wurden. So ist das Rad von Spanien bis Japan bekannt, während die südamerikanischen Kulturen es vor der Ankunft der Europäer nicht kannten. Ebenso stört die Tatsache, dass Archäologen ihre Aussagen nicht ernstnehmen, oder, was meistens der Fall ist, diese gar nicht zur Kenntnis nehmen, die handelnden Personen nicht im Geringsten. Im Gegenteil, es bestärkt diese Personen, dass sie sich auf der richtigen Fährte befinden und wittern überall Vertuschung von den anerkannten Experten und etablierten Wissenschaften. Interessanterweise berufen sie sich oft auf Albert Einstein, Galileo Galilei, Christoph Columbus oder Heinrich Schliemann, die ja auch für ein neues Weltbild kämpften.

Heinrich Schliemann zum Beispiel habe ja nur mit der Illias Homers bewaffnet im Alleingang die Städte Troja und Mykene entdeckt. Dabei ist dies nur die halbe Wahrheit. Schliemann war nicht der erste der unter dem Hügel, wo heute die Ruinen Trojas zutage treten, eine Stadt vermutet hat. Zahlreiche Keramikfunde von den dort ansässigen Bauern wurden schon vor Schliemann gemacht und ließen auf die Existenz einer Stadt schließen. Dabei ist es allerdings Schliemann zu verdanken, dass er sein Privatvermögen einsetzte um dort eine Grabung zu beginnen, die, nach den Gesichtspunkten des 19. Jahrhunderts, ordentlich durchgeführt wurde. Schliemann erkannte auch, dass es sich bei dieser Stadt um Troja handelte, das von den Griechen und Römern Illion, genannt wurde.

Wie dem auch sei, der springende Punkt jedenfalls war, dass Schliemann sich der Methoden der Archäologie im 19. Jahrhundert bediente, während die Pseudoarchäologen von heute sich jeder wissenschaftlichen und archäologischen Methodik verweigern. Sie halten sich zum Beispiel nicht an die Theorie von „Oackhams Rasiermesser“, die kurzgefasst besagt, dass bei mehreren konkurrierenden Antworten auf eine Frage, diejenige bevorzugt werden muss, die mit den wenigsten Zusatz Hypothesen auskommen. Auf die Frage, wie schafften es die Ägypter mit ihren primitiven Werkzeugen die Pyramiden so hoch aufzurichten antworten Pseudoarchäologen: „Mit außerirdischer Technik“. Dabei wird jedoch keine Antwort gegeben sondern das Problem nur auf eine neue Ebene geschoben, denn nun müsste man fragen: „Wie schafften es die Außerirdischen diese Steinblöcke zu bewegen und so exakt aufeinanderzustapeln?“ bzw. „Woher hatten die Außerirdischen diese Technologie?“. Eine mögliche Antwort wäre, dass auch diese die Technik von einer höheren entwickelten Lebensform bekamen, dabei würde sich das Spiel von Frage und Antwort so lange fortsetzen, bis man an den Anfang des Universums käme, ohne dass man eine Antwort erhalten wurde.

Jedoch nicht nur ihre Methodik ist fragwürdig, auch ihre Sprache ist weder exakt noch hält sich an die wissenschaftliche Genauigkeit. Oft wird von „einigen Experten“, „manchen Experten“, „viele Experten“ geredet. Damit wird der Eindruck erweckt, man stünde mit seiner abstrusen Meinung nicht allein da. Vor allem in den deutschsprachigen Ländern wird auf die Macht der Titel gesetzt, den der Herr Doktor wird schon wissen was er sagt, er hat schließlich studiert. Dort werden „Experten“ präsentiert die weder eine anerkannte Wissenschaft studiert haben (sehr beliebt sind Metaphysiker oder Astroarchäologen) oder es werden wirkliche Experten präsentiert, die jedoch nicht mit der Materie vertraut sind (wie z. B. Physiker oder Techniker). Dabei ist es auch nicht hilfreich, dass in ihren Sendungen auch Archäologen und Historiker auftreten. Diese werden meistens nur gezeigt, wenn es darum geht Fakten zu bestätigen (die Größe der Pyramide, wer einen Tempel errichtet hat) oder einen Mythos zu erzählen (ohne die Erklärung dazu zu senden), während man es den anderen „Experten“ überlässt ihre haarsträubenden Schlüsse daraus zu ziehen. Ein weiteres Beispiel für ihren verzerrenden Sprachgebrauch sind Formulierungen wie „mit Hilfe komplizierter mathematischen Berechnungen“. Dabei scheint bei den meisten Menschen eine Art unwiderstößliches Urteil gefällt zu werden. Das mag auch damit zusammenhängen, dass viele Menschen die Mathematik seit ihren Schultagen ein Graus ist und wenn sie dann noch Begriffe wie „hochkompliziert“, „exakt“ oder „komplex“ hören, scheinen sie jeden Wunsch, diese Aussagen nachzuprüfen verloren zu haben. Dabei handelt es sich bei den meisten mathematischen Spielchen die hier betrieben werden um recht einfache Geometrie und bei den meisten Berechnungen von Sternenkonstellationen über eine sehr genaue Beobachtung des Nachthimmels. Auch werden diese mathematischen Spielchen oft mit Maßsystemen die wir heute verwenden, Meter und Fuß, gespielt. Dabei wird komplett außeracht gelassen, dass unsere modernen Maßeinheiten in den Zeiten in denen die Monumente, wie die Pyramiden, errichtet werden, gar nicht existierten.

Ein oft auch gerne verwendetes Wort ist „primitiv“. Mit diesem Wort wird von Menschen über Werkzeuge bis zu den Ernährungsgewohnheiten alles bezeichnet und ein Bild von einem Höhlenmenschen hervorgerufen. Die Pseudoarchäologen aber unterschätzen die Möglichkeiten dieser Menschen und setzen auch moderne Standards voraus. Oft werden sehr harte Steine angesprochen, die diese „primitiven“ Menschen mit ihren „primitiven“ Werkzeugen nicht hätten bearbeiten können. Dabei gibt es schon seit dem Beginn des 20. Jahrhundert Untersuchungen u. a. von Uvo Hölscher, dass diese „primitiven“ Werkzeuge ihren Zweck erfüllten. Natürlich brauchten sie länger als eine Maschine heute, aber möglich wäre es. Auch erklären diese „Forscher“ nicht wozu die gefunden Werkzeuge denn angefertigt worden sind, wenn sie nicht benutzbar waren.

Auch die Begriffe werden nicht korrekt verwendet, es werden Theorien, Thesen und Hypothesen durch die Gegend geworfen dass es eine wahre Freude ist. Eine Hypothese ist eine Aussage, für die es nur ein paar Hinweise oder noch zu wenig Beweise gibt um sie zu bestätigen zu können und damit in den Rang einer Theorie zu erheben. Eine Theorie ist eine modellhafte Beschreibung wie die Welt, die uns umgibt, funktioniert. Dabei können auch Theorien wieder verworfen werden, wenn neue Erkenntnisse gewonnen werden.

Eine weitere beliebte Formulierungen sind „Hinweise“. Ich möchte hier festhalten „Hinweise“ und „Beweise“ sind ein deutlicher Unterschied, während das erste „auf etwas hin weist“ d.h. hier könnte sich eine Interessante Spur ergeben, sind „Beweise“ etwas, das eine vorher theoretische Überlegung als wahr qualifiziert. Interessant ist auch, dass nur die wenigsten dieser Hinweise in Filmen, Serien und Büchern angeführt werden. Es wird immer nur von „vielen Hinweisen“ gesprochen ohne diese jedoch zu konkretisieren. Auf Nachfragen können oft keine dieser „Hinweise“ präsentiert werden oder werden als „unter mysteriösen Umständen verschwunden“ angegeben. Damit ist aber ein weiteres Prinzip von Wissenschaft verletzt, das Prinzip der Überprüfbarkeit und Nachvollziehbarkeit von Aussagen.

Ein letzter Kritikpunkt noch. Die meisten dieser Pseudoarchäologen gehen von einer linearen Entwicklung der Menschheit aus. Das heißt, dass sich die Menschheit von einfachen Technologien und Gesellschaftsreformen zu immer komplexeren Technologien und Gesellschaftsformen entwickeln. Daher ist für diese Personen jeder Bruch, sei es eine Fortschritt oder ein Rückschritt, in dieser Entwicklungslinie auf das Wirken von Außerirdischen zurückzuführen. Es ist schwierig die Geschichte der Menschheit grafisch darzustellen. Nimmt man dazu Linien, Kurven, Spiralen, Wellen,…? Man kommt bei einer solchen Darstellung der Menschheitsgeschichtesehr schnell zu Teleologischen Vorstellungen, d. h. zu Vorstellungen die betonen, dass die Geschichte ein Ziel hätte. Diese Vorstellungen werden von den meisten Historikern abgelehnt, da die Geschichte keine Richtung festgemacht werden kann. Wenn man die Geschichte regional, lokal oder global betrachtet sieht man immer andere Entwicklungslinien, ebenso wenn man sich Aspekte der Menschheitsgeschichte betrachtet, wie z. B. die Geschichte der Medizin, die Geschichte der Mathematik, die Geschichte der Wirtschaft und so weiter ansieht.

Marco Paschinger

From → Archäologie

One Comment
  1. Ein sehr schöner Beitrag, und was für ein Zufall, dass ich den ausgerechnet jetzt finde – ich studiere Archäologie und arbeite den Sommer über in einem kleinen Museum. Vor einigen Tagen dann waren sie da, eine Familie von Leuten, die all das glauben, was du da beschreibst. Gotische Langschädel können ja nur der Versuch sein, unsere außerirdischen Vorväter nachzuahmen, und dass die CIA etwa 70 Aliens unter Verschluss hält ist sowieso klar. Unnötig zu erwähnen, dass jeder Versuch, einen Hauch von Logik in ihr Weltbild zu streuen, abgeblockt wurde – als ich meinte, dass der Bericht über Skelette von 5 bis 6 Meter großen Humanoiden auf Sardinien wohl nicht stimmte waren sie beleidigt.

    Das Tolle an einer Verschwörungstheorie ist halt, dass man alles, das gegen sie spricht, zu einem Teil der Verschwörung machen kann…

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